Was ist ein akustischer Fingerabdruck?

Stark vereinfacht ist ein akustischer Fingerabdruck eine digitale Analyse eines Klanges. Ein Programm «hört» sich z.B. ein Lied an, analysiert es dabei nach verschiedenen Kriterien und erstellt daraus einen möglichst identifizierenden Code. Die grosse Kunst einer solchen Analyse besteht darin, dass sie unterscheiden kann, ob z.B. Bobby McFerrin in seinem Lied «Don’t worry, be happy» selber pfeifft oder irgendjemand anderes den gleiche Liedteil nur möglichst ähnlich nachpfeifft.

Erst wenn eine solche Analyse auch die kleinen Unterschiede zwischen der Originalaufnahme und einer späteren Neuaufnahme erkennt, hilft der akustische Fingerabdruck bei der Erkennung von Liedern. Ausprobieren kann man das heute schon z.B. mit «Shazam». Eine App für das Smartphone versucht zu erkennen, welches Lied aktuell gesungen wird. Wird das Lied erkannt, meldet die App den Titel und Künstler zurück auf das Smartphone, natürlich mit dem Hintergedanken, dieses Lied auch gleich bei einem der bekannten Online-Händler zu kaufen 🙂
Die bekannteste nicht-kommerzielle Variante heisst «AcoustID». Der Erfinder, Lukáš Lalinský, erklärt hier auf english, wie der Hauptteil seiner Liedanalyse funktioniert.

Der akustische Fingerabdruck alleine hilft aber noch nicht wirklich. Erst wenn ein Mensch den einzeln berechneten, akustischen Fingerabdruck einem bestimmten Lied zuweist, können alle nachfolgenden Benutzer eines solchen Systems davon profitieren. Sobald ich also in einer Datenbank hinterlege, dass der akustische Fingerabdruck X zum Lied «Don’t worry, be happy» gehört, können alle nachfolgenden Benutzer mit dem akustischen Fingerabdruck X die Informationen rund um «Don’t worry, be happy» automatisiert abfragen.

Genau dieses Prinzip existiert im Zusammenspiel von AcoustID und «MusicBrainz». Das beste daran: Es kostet nichts, sämtlicher Programmcode ist frei verfügbar und die Zahl akustischer Fingerabdrücke steigt mit jedem freiwilligen Teilnehmer weiter an. Im Moment zeigt die Statistik von AcoustID über 29 Millionen Fingerabdrücke. 8 Millionen davon wurden bereits einem bestimmten Lied zugewiesen. Das bedeutet, über 8 Millionen Lieder können bereits heute automatisch erkannt und mit zusätzlichen Metadaten angereichert werden.

Jetzt fragt man sich natürlich: Was passiert, wenn jemand eine falsche Verbindung zwischen einem akustischen Fingerabdruck und einem Lied herstellt?

Hier kommt das Wikipedia-Prinzip zum Einsatz. Wenn jemand seine Klassik-CD digitalisiert und irrtümlich «Don’t worry, be happy»-Informationen für seine Beethoven «Klaviersonate No. 14 cis-Moll, Op. 27 No. 2 “Mondschein”: I. Adagio sostenuto – attacca» zurückgeliefert bekommt, kann man das einfach selber korrigieren:

  • Man trennt auf MusicBrainz mit einem Mausklick die Verbindung zwischen dem Fingerabdruck für die Klaviersonate und dem falschen Lied

Wie das beispielhaft aussieht sieht man hier:
http://musicbrainz.org/recording/8812d99e-cce0-4251-9263-f412512f46a2/fingerprints

Klickt man übrigens auf die unterste durchgestrichene AcoustID gelangt man auf Detailinformationen zu diesem Fingerabdruck. Daraus erkennt man, dass es bei klassischen Stücken besonders schwierig ist zu analysieren, welcher Pianist unter welchem Dirigenten wann in welchem Konzertsaal eine Variante dieser Klaviersonate aufgenommen hat. 54 Personen wiesen diesen akustischen Fingerabdruck der Aufnahme von Wilhelm Kempff im Beethoven-Saal des Kultur- und Kongresszentrum in Stuttgart im September 1964 zu. Exakt diese Aufnahme wiederum ist auf mindstens 11 verschiedenen offiziellen Veröffentlichungen zu hören.

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